Mathias mit Herz
Herz transplantiert seit 2018
Ich wurde immer gefragt, warum ich kein Buch über mein Leben schreibe, hier kommt meine Alternative. Mir ist es sehr wichtig, andere Menschen mit meiner Geschichte zu inspirieren und motivieren, und nicht damit Geld zu verdienen! Somit gibt es nun hier, für alle frei zugänglich, meine Geschichte.
Weiter unten findest du dann auch gleich meinen Blog. Wie der Name schon erahnen lässt, ist es einfach ein Blog 😉 dieser wird sich mehrheitlich um meine neu gewonnene Leidenschaft drehen, dem Triathlon.
Meine Geschichte
Hallo mein Name ist Mathias, ich bin seit 2018 Herz transplantiert und dies ist meine Geschichte.

Die Geschichte beginnt am 26. Mai 1986 in Bern, mit meiner Geburt. Meine Geburt wäre vermutlich reibungslos verlaufen, jedoch war die damals zuständige Hebamme noch nicht bereit dazu und entschloss sich, meine Mutter auf die Seite zu drehen und ihr auf die Beine zu sitzen. Der Plan dahinter war, die Geburt zu verzögern, bis ein Arzt eintrifft. Leider übersah sie dabei meinen Kopf, der ragte wohl schon heraus. Dies führte dazu, dass ich anschliessend einige Zeit im Sauerstoffzelt verbrachte, dies hatte jedoch nichts mit meinem Herzen zu tun. Denn ich kam mit einem angeborenen Herzfehler zur Welt. Eine sogenannte Pulmonal Stenose. Pulmonalstenose – Wikipedia
Kurz gesagt handelte es sich dabei um eine Verengung der Herzklappe, die zur Lunge führt. Heute ist dies relativ gut behandelbar, damals konnte eine Behandlung jedoch nur in Genf und erst im Alter von drei Jahren durchgeführt werden. Bei der Behandlung wurde ein Ballonkatheter über die Leiste ins Herz geschoben, der dort aufgeblasen wurde, um die Verengung zu lockern. Jedoch war der Zeitpunkt des Eingriffes nicht wirklich optimal, denn genau zu dieser Zeit litt ich an einer schweren Mittelohrentzündung. Wie es scheint, war das Schicksal grosszügig mit mir.
Dies war also der Startschuss ins Leben, na toll.
Dank des Eingriffes in Genf konnte ich eigentlich eine normale Kindheit verbringen. Hier stellt sich jedoch immer die Frage, was eigentlich normal ist? Nun, für mich war normal, dass ich anfälliger, schwächer und weniger leistungsfähig war als andere Kinder. Eigentlich merkte ich dies nur selten. Klar, ich war öfters krank, war im Sport nicht wirklich leistungsfähig und brach auch ab und zu einmal zusammen, da mein Kreislauf vermutlich nicht mehr mitkam. Aber ich kannte es nicht anders, somit war es für mich völlig normal. Rückblickend betrachtet kann ich sagen, dass ich eine gute Kindheit hatte. Ich wünschte mir oftmals mehr Freunde, aber dies hatte nichts mit meinem Herzen zu tun. Ich war/bin einfach ein Träumer 😊, oftmals verlor ich mich damals schon in meiner Fantasie. Stundenlang konnte ich auf der Toilette sitzen und imaginäre Schlachten austragen und komplett in meiner eigenen Gedankenwelt versinken.
Heute weiss ich, dass dies vermutlich schon damals eine Flucht von Realität war.
So problemlos wie die Kindheit verlief, ging es aber leider nicht weiter. Denn eigentlich wollte ich Koch werden, Kreativität und genügend Fantasie für ausgefallene Gerichte hatte ich definitiv genug. Jedoch waren langes Stehen und die Hitze am Herd nicht wirklich etwas, das mein geschwächter Körper lange aushielt. Auch mit dem Lernbetrieb lief nicht alles rund. So kam es, dass mir die Freude am Koch als Beruf komplett abhandenkam und ich die Ausbildung abbrechen musste. Einige Zeit später startete ich dann eine Ausbildung als LKW-Führer. Rückblickend betrachtet war dies keine wirklich gute Entscheidung, denn ein schwaches Herz und Strassenverkehr beissen sich irgendwie 😉 Jedoch war zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar, was da alles noch kommen wird.
Das erste Ausbildungsjahr als LKW-Führer verlief eigentlich relativ gut und normal, doch dies änderte sich sehr schnell, als plötzlich meine Leistung komplett weg war. Schon die kleinsten Bewegungen brachten mich an meine Grenzen, mir war ständig schwindlig und ich konnte mich kaum noch auf den Beinen halten. Ich wurde sogar auch ohnmächtig. Schnell war jedoch die Ursache des Übels gefunden. Die Pulmonale Herzklappe wollte nicht mehr wie sie sollte und somit floss Blut zurück ins rechte Herz. Dieses wurde grösser und grösser, die Leistung weniger und weniger. Die Entscheidung war schnell getroffen und eine neue Herzklappe musste her, eine Biologische aus Schweinegewebe sollte es werden. Herzklappenersatz – Wikipedia
Die Operation verlief eigentlich ohne Komplikationen, leider war/ist aber der Weg zurück zur Normalität mehr als steinig. Immer wieder plagten mich Rückschläge in Form von Lungenentzündungen, Infektionen und auch erste Depressionen. Zum ersten mal in meinem Leben verlor ich den Mut und auch ein wenig meine Lebensfreude. Ich fühlte mich alleine, ungehört und falsch verstanden. Man sah mir ja auch nicht an, wie es mir wirklich geht. Die Ausbildung konnte ich erst nach über einem Jahr fortsetzen, jedoch musste ich ein Jahr wiederholen und verlor dadurch auch gleich den Anschluss und den Kontakt zu meinen Mitschülern. Der permanente Schwindel war immer noch da und auch sonst war es nicht wirklich viel besser als vor der neuen Herzklappe. Klar, ich hatte körperlich wieder mehr Leistung, aber zu welchem Preis? Versteht mich nicht falsch, ich brauchte diese Operation, um überhaupt zu leben, dennoch war ich damals psychisch am Limit. Aber was solls, Jammer bringt nichts und das Leben musste weiter gehen. Mein Schicksal dachte jedoch vermutlich: Das reicht noch nicht, noch lange nicht! Den schon kurze Zeit später begannen die gesundheitlichen Probleme aufs Neue zu nerven. Der Schwindel wurde stärker, die Leistung brach erneut ein und hinzukam, dass ich nun sehr häufig ohnmächtig wurde. Ganz toll am Steuer eines LKWs. Klar konnte ich so nicht mehr in den Strassenverkehr und musste alle Führerausweise abgeben, nicht nur die, sondern auch die Ausbildung musste wieder abgebrochen werden. Mehrmals die Woche fiel ich ohne Vorwarnung in Ohnmacht, egal wo, egal wann. Meine Leistung war im Keller, genau wie meine Psyche. Optisch sah ich ganz normal aus, man sah mir mein Leiden und Elend nicht an. Dies machte es umso schlimmer, denn für viele war ich plötzlich nur noch ein Simulant! So wurde ich dann auch von der Öffentlichkeit behandelt, der Herzkranke, der nur so tut als ob. Danke dafür!
Nach langer Suche nach der Ursache für meine körperlichen Probleme wurde endlich etwas gefunden. Vorhofflimmern und starkes Kammerflimmern (umgangssprachlich auch als Rhythmusstörungen bekannt). Ich war eigentlich erleichtert und für einen ganz kurzen Moment voller Hoffnung auf Besserung.
Bah falsch gedacht, denn nun folgt.
Um dieses Kammerflimmern zu behandeln, wurde mir ein ICD Implantierbarer Kardioverter-Defibrillator – Wikipedia direkt in die Brust eingesetzt. Auch sehr starke Medikamente, die diese Rhythmusstörungen vermeiden sollten, wurden mir verabreicht. Inzwischen war es vermutlich so, dass jedes mal wenn ich ohnmächtig wurde, ein solches Kammerflimmern die Ursache war. Damals wurde mir gesagt, dass ich von der Therapie, also den Stromschlägen des Defibrillators, nicht wirklich etwas mitbekommen werde, da man hierbei meist ohnmächtig sei. Sowieso sollte dieser nicht oft auslösen. Von dem Tag an, als ich mit dem ICD ausgestattet wurde, wurde ich nicht mehr ohnmächtig und erlebte JEDEN dieser verdammten scheiss Stromschläge bei vollem Bewusstsein. Ich schwöre noch heute, dass ich es spürte, wie sich dieses Mistding aufgeladen hat, kurz bevor es mich mit einem Schock von den Beinen haute. Falls bis hierhin tatsächlich noch etwas an meiner Psyche stabil war, wurde es hierdurch wortwörtlich weg gebrutzelt. Ich lebte von nun an in ständiger Angst vor einem erneuten Schock. An der Leistungsfähigkeit hat dieser Eingriff übrigens nichts gebracht, ich war immer noch nicht in der Lage wirklich viel in meinem Leben zu erleben ohne Schwindel, Rhythmusstörungen oder jetzt auch Angstzustände. Aber wie schon einmal gesagt, das Leben muss weitergehen. Es gab einen Moment, da nahm ich all meine verbleibende Kraft und auch Mut zusammen und versuchte mich körperlich zu stärken, in dem ich ein klein wenig Sport betrieb. Ich ging also ins Fitnessstudio, ja so könnte auch ein schlechter Scherz beginnen 😊, um immerhin etwas Bewegung zu haben. Schon nach ganz kurzer Zeit merkte ich, dass es mir nicht gut geht, dass leichte Rhythmusstörungen vorhanden sind und ich besser nachhause gehe. Immerhin schaffte ich es bis ins Treppenhaus des Fitnessstudios, bis der erste Schock mich die Treppen runter schoss. Unten aufgeschlagen kam auch schon der zweite Stromschlag vom Defibrillator. Dies war das erste mal, dass ich in so kurzem Abstand zwei volle Ladungen kassierte. Ich zückte mein Handy, um den Notruf zu rufen, denn ich wusste, etwas stimmt ganz und gar nicht! Ich kam nicht mehr dazu, den Notruf abzugeben, denn beim dritten Schock flog das Handy in grossem Bogen davon. Panik machte sich breit und ich erinnerte mich schlagartig an etwas, das damals mein Arzt zu mir sagte, als ich den ICD bekam: Mathias, es gibt da etwas, das wir verhindern müssen, einen elektrischen Sturm! (Kurzer Exkurs: Ein ICD ist so eingestellt, dass er nur eine gewisse Anzahl an Stromschläge in kurzer Zeit von sich geben kann, da ansonsten der Strom fürs Herz zu viel wäre. Bei mir war dieses Limit bei 6. Wenn der Defibrillator eine gewisse Anzahl an Stromschlägen in kurzer Zeit abgibt, spricht man von einem elektrischen Sturm. Das Problem dabei ist, dass ein Kammerflimmern, das nicht aufhört, ebenfalls zum Herzstillstand führen kann) Drei Schläge habe ich bekommen und nun dieser Gedanke, ich bekam wortwörtlich Todesangst. Ich versuchte die Treppe zurück ins Fitnessstudio hoch zu krabbeln und schrie dabei so laut ich konnte um Hilfe. Ich war am Ende meiner Kräfte, doch ich schrie und krabbelte weiter. Endlich kam jemand vom Fitnessstudio ins Treppenhaus und war vermutlich genauso schockiert wie ich. Ich brüllte nur noch HILFE! NOTRUF! Und schon kam der vierte Schock. Dabei biss ich mir auf die Zunge und spukte Blut. Vor Schmerzen windend lag ich auf der Treppe, als mich zwei stark trainierte Typen aus dem Fitnessstudio hochhoben und an eine Wand anlehnen wollten, jedoch haute uns alle der fünfte Schock von den Füssen. Ich war nicht mehr in der Lage zu sprechen, Schmerzen, Blut, Todesangst waren alles, was ich noch fühlte, als der sechste und somit letzte Stromschlag erfolgte. Ich lag da und mir war klar, dass ich hier und jetzt sterbe! Mein ganzes Leben zog an mir vorbei, genau wie man es immer wieder hört und liest von Menschen, die nahe dem Tode sind. Ich wusste, dass es zu spät sein wird, bis die Rettungskräfte eintreffen, ich merkte, dass alles dunkel wird und das Leben schwindet…. Doch dann ging die Tür auf und das Rettungsteam kam angerannt. Ich sah ihre Umrisse und so komisch es auch ist, die Rhythmusstörungen hörten auf, noch ehe die Rettungskräfte bei mir ankamen. Ich konnte sie sogar halbwegs begrüssen. Niemand konnte mir dies bis heute erklären, vermutlich war meine Zeit einfach doch noch nicht gekommen. Vielleicht hatte das Schicksal anderes vor mit mir. Egal was es auch war, ich lebe und dafür bin ich mittlerweile unglaublich dankbar und froh. Natürlich musste ich nach diesem elektrischen Sturm ins Krankenhaus, wo auch alles überprüft und kontrolliert wurde. Man fand haufenweise Narbengewebe am Herzen. Dieses Gewebe war verantwortlich für das Kammerflimmern. Um dieses zu beheben und zu sehen, welche Narben genau verantwortlich sind, musste dieses Kammerflimmern nun bei Bewusstsein reproduziert werden. Sobald ein Kammerflimmern ausgelöst wurde, wurde dies defibrilliert und anschliessend das verantwortliche Narbengewebe mit Strom verödet. Nach ungefähr vier weiteren Defibrillierungen fanden wir dann den Übeltäter, doch dieser liess sich wieder nicht ruhigstellen, genau wie beim elektrischen Sturm half der Defi einfach nicht und ich wurde sofort in Narkose versetzt. Nach dem Aufwachen wurde mir gesagt, dass man diese eine Narbe leider nicht behandeln könne und wir nun einfach aufpassen müssen, dass dies nie wieder passiert. Was? Diese Scheisse kann somit tatsächlich wieder passieren und wir können nichts dagegen tun? Danach war ich wirklich am Ende, ich ging nicht mehr alleine aus dem Haus, zog mich aus dem sozialen Umfeld komplett zurück und versank ganz, ganz tief in Depressionen. Jede Nacht hatte ich Albträume und Panikattacken. Ich sah keinen Ausweg mehr und verlor mich im Alkohol. Ich hatte einfach keine Hoffnung mehr, dass es irgendwann einmal besser sein kann. Ich verlor die Lust am Leben. Wozu sollte ich auch hier sein, um zu leiden? Was kann ich denn noch machen? Ihr denkt nun, das sei das Ende? Falsch gedacht, denn die Leistung brach nach all dem erneut ein. Die Herzklappe war wieder einmal nicht mehr im Stande, ihre Arbeit zu erledigen. Dieses mal bekam ich eine Biologische aus Rindergewebe. Wenigstens konnte dieser Eingriff über die Leiste erfolgen, erstaunlich, welche Fortschritte die Medizin macht. Aber ja, wie könnte es anders sein, auch dieser Eingriff brachte keine Besserung, denn nur ein halbes Jahr später war diese Herzklappe an ihren Grenzen. Es sollte wohl einfach nicht sein. Aber eines habe ich gelernt, wo Schatten ist, ist auch Licht!
Als eigentlich jede Hoffnung und jede Lebensfreude in mir erloschen sind, kam ein Arzt und machte sich stark für mich. Nun, zum ersten mal wurde das Thema Organtransplantation richtig angesprochen. Doch, ein neues Organ in meinem Zustand? Alkoholiker, Depressiv, Selbstmordgefährdet. Ja! Denn warum bin ich dies? Nicht weil ich es so wollte, sondern weil mich meine Geschichte an diesen Punkt brachte! Ich schwor mir eines, wenn ich die Möglichkeit bekomme, ein neues Herz, eine zweite Chance, werde ich diese um jeden Preis nutzen und alles in meiner Macht Stehende dafür tun. So kam es, dass ich am 14.12.2016 vor einem Ärztegremium stand und meine Geschichte erzählte und was ich machen würde, falls ich diese Chance bekomme. Sie entschieden sich für ein neues Herz und genau mit dieser Entscheidung wurde ein Funke Hoffnung in mir geweckt. Ich habe seit diesem Tag nie wieder einen Tropfen Alkohol getrunken, habe keine Kippe mehr geraucht und mein Leben komplett geändert. Ich wollte mich vorbereiten, kämpfte mich aus meinem tiefen Loch hervor und versuchte, das Leben neu kennenzulernen. Fast zwei Jahre hatte ich nun dafür Zeit, denn so lange ging es, bis der erlösende Anruf kam, mit den Worten: Mathias, wir haben ein Herz für sie!
Was ein Geschenk! Endlich gab es die Möglichkeit auf ein neues Leben!
14.10.2018, Mathias, wir haben ein Herz für sie! Diese Worte waren es, die mich an diesem Morgen um 04:00 Uhr auf die Beine brachten. Angst? Im Gegenteil, denn ich war schon lange an dem Punkt angekommen, wo es eigentlich nur noch besser werden konnte. Im Krankenhaus angekommen, wurde ich für die bevorstehende Herztransplantation vorbereitet und über alles informiert. Witzig war, dass alle irgendwie aufgeregt waren und auch eine gewisse Angst bei einigen vorhanden war. Ich selbst konnte nur Vorfreude empfinden. Das Schlimmste, was passieren konnte, war, dass ich nicht mehr aufwache und das Ganze nicht überleben würde, aber ehrlich gesagt war auch das völlig in Ordnung für mich. Ich war einfach bereit für den nächsten Schritt. Ich war bereit für ein neues Leben, ein neues Kapitel in meiner Geschichte.
Viel gibt es eigentlich zur Transplantation nicht zu sagen, ich habe ja davon auch nichts mitbekommen, ausser vielleicht etwas, das mich wahnsinnig freute, dieses Mistding von ICD wurde dabei entfernt und ich kann endlich ohne dieses Ding leben 😊. Aber ich weiss, dass ich schon beim Erwachen glücklich war, denn das Erste, was ich merkte, war, dass dieser dämliche permanente Schwindel, der mich seit Jahren verfolgte, weg war und auch wegblieb. In meiner Brust schlug ein fremdes Herz, aber es fühlte sich nicht fremd an, sondern einfach nur gut. Klar, am Anfang war es etwas ungewohnt, einen solch starken Herzschlag zu haben, denn mein eigener war ja nur ein laues Lüftchen dagegen. Schon nach kurzer Zeit war ich im Stande, im Zimmer umher zu laufen, mich zu bewegen. Welch eine Erleichterung, mir wurde dabei nicht schwindelig oder dergleichen. Nach einer Woche erlitt ich eine kleine Herzabstossung, dies gehört aber eigentlich zu einer Herztransplantation dazu und konnte schnell wieder in den Griff gebracht werden. Von nun an gab es für mich Vorschriften, denn ich war nun nicht mehr herzkrank, sondern herztransplantiert. Als transplantierte Person muss man ein Leben lang Medikamente einnehmen. Diese senken das eigene Immunsystem so, dass das neue Organ vom Körper nicht abgestossen wird. Somit treten auch gewisse Hygieneregeln in Kraft, genauso wie gewisse Kriterien in der Ernährung berücksichtigt werden müssen. Klar haben diese Medikamente auch eine riesige Liste an Nebenwirkungen, aber ich sage mir immer, dass dies ein kleines übel ist, dafür, dass ich ein solches Leben führen darf. Vor allem war ich mir Medikamente ja auch ausreichend gewöhnt.
Nach gerade einmal drei Wochen konnte ich schon aus dem Krankenhaus austreten und die Herz-Rehabilitation beginnen. Diese besuchte ich in Heiligenschwendi, ach, das war eine schöne Zeit. Fast schon zum ersten mal in meinem Leben konnte ich Spazieren ohne Schwindel, Sport betreiben ohne Panik und mich endlich nicht mehr als kompletter Aussenseiter fühlen. Es war unglaublich, all diese Gefühle und Emotionen, wenn ich daran zurückdenke, kommen mir fast die Tränen. Das Körperliche ist das eine, aber was da alles für Gefühle erwachten, einfach überwältigend. Niemals dachte ich, dass ich mein Leben wirklich leben möchte, niemals glaubte ich daran, richtig glücklich zu sein und mich auf alles, was kommen mag, zu freuen. Der kleine Funke, der ende 2016 ein wenig Licht in die Dunkelheit brachte, wurde mittlerweile zu einer lodernden Flamme voller Lebensfreude.
Nun ist dies einige Jahre her und noch immer bin ich voller Lebensfreude und Energie. Voller Tatendrang, den ich endlich ausleben kann, so vieles gib es in dieser Welt, was mir jahrelang unmöglich war, endlich kann ich ein Leben leben, das auch lebenswert ist. Heute kann ich ein normales Leben führen, und wie du siehst, sind wir wieder da angekommen, wo wir begonnen haben: Was ist normal? 😊 Klar habe ich gewisse Einschränkungen, klar habe ich Risiken, Nebenwirkungen und auch gewisse Ängste, aber ich kenne es nicht anders und somit ist es für mich normal. Was sich geändert hat, ist die Einstellung zum Leben. Heute geniesse ich jeden Tag, als ob es mein letzter wäre. Ich erfreue mich an den kleinen Dingen im Leben und freue mich, ein Teil dieser Welt zu sein. Heute will ich Leben!
Vielleicht wäre mein Leben anders verlaufen, wenn ich schon früher verstanden hätte, dass ich es selbst in der Hand habe, klar habe ich mit dem Alkoholmissbrauch, den Depressionen und auch der Abgrenzung des sozialen Umfeldes nicht wirklich zu einem besseren Leben beigetragen. Jedoch wusste ich es nicht besser und ich konnte nicht anders. Auch wenn es mir manchmal schwerfällt zurückzublicken, tut dies gut, denn es zeigt mir, wo ich nie wieder landen möchte. Lange genug war ich in diesem tiefen Loch gefangen und hoffte darauf, dass mir jemand hinaushilft. Doch am Ende musste ich erst lernen, dass eigentlich immer eine helfende Hand da war, ich diese aber selber ergreifen musste.
Mittlerweile bin ich bekannt für mein positives Denken und ich werde immer wieder gefragt, wie ich dies mache. Nun ganz einfach, mit Zuckerbrot und Peitsche 😊 ich will etwas bewirken in dieser Welt, ich will andere motivieren und zeigen, dass auch ein Leben mit einem neuen Herzen ein schönes und lebenswertes Leben sein kann. Dies ist das Zuckerbrot.
Aber ich darf auch nicht aufgeben oder schwach werden, denn dafür hätte ich kein neues Herz gebraucht. Was wäre, wenn dieses Herz auch jemand anderes hätte retten können? Ich MUSS das Beste aus meinem neuen Leben machen. Dies ist meine Peitsche.
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In tiefster Dankbarkeit
In tiefer Dankbarkeit an meinen Spender, dessen Angehörige, alle meine Freunde und Familie, die immer an meiner Seite standen, all die Ärzte und Pflegefachkräfte, die eine wunderbare Arbeit leisteten. Ich danke euch allen von tiefstem Herzen, ohne euch wäre ich heute nicht mehr hier! Merci!
